Bauverzögerung ohne Fertigstellungstermin
Der Fertigstellungstermin bei einem Bauvorhaben ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für den Besitz- bzw. Eigentumsübergang an einer Immobilie. Wird er nicht eingehalten hat dies sehr ärgerliche Folgen.
Der Bauherr und Käufer kann gekündigte Wohnungen oder Gewerbeflächen vertraglich meist nicht verlängern. Von den oft unvorhersehbaren und nicht kalkulierbaren finanziellen Mehrbelastungen ganz zu schweigen…
Das rechtliche Vorgehen im Fall einer Bauverzögerung, ist bei der Vereinbarung eines Fixtermin, recht einfach. Wie sieht es jedoch mit dem Verzug aus, wenn nur ein unverbindlicher Leistungszeitraum vereinbart wurde?
1. Bauvertrag mit Fixtermin
Wurde im Bauvertrag ein verbindlicher Fixtermin für die Fertigstellung vereinbart (z.B. 30.09.2023), läuft die Vertragsfist auch genau zu diesem Datum aus. Rechtlich wird in diesem Fall zunächst geprüft, ob sich nach dem Wortlaut des Vertrages der Fixtermin doch noch verschieben kann.
Beispiel 1: Fixes Startdatum mit anvisierter Fertigstellung
Beispiel für einen solch „scheinbaren“ Fixtermin ist die Festlegung eines Startdatums mit nur anvisiertem Termin der Fertigstellung. Liegen zum Startdatum Baugenehmigungen oder Pläne nicht vor, verschiebt sich die Fertigstellung ohne weitere vertragliche Vereinbarung zeitlich nach hinten.
Beispiel 2: Fixtermin-Verschiebung aufgrund von Änderungswünschen
Ein Fixtermin kann sich auch aufgrund von Änderungs- oder Ergänzungswünschen des Bauherrn zeitlich nach hinten verschieben – ohne dass dies rechtliche Konsequenzen für den Auftragnehmer hat, denn dies sind für Planer und ausführende Unternehmen unvorhersehbare Ereignisse. Genauso verhält es sich mit äußerlichen Einflüssen (z.B. unerwartete Beschaffenheit des Baugrund) oder nicht vorhersehbare bauliche Notwendigkeiten (z.B. zusätzliche Wasserhaltung in der Baugrube).
2. Bauvertrag mit unverbindlichem Zeitraum
Im Gegensatz dazu können im Vertrag unverbindliche Zeiträume vereinbart worden sein. Eine „Bauzeit von 10 Monaten, ab Herstellung der Baugrube“ ist ein Beispiel dafür. Auch die Vereinbarung „Fertigstellung der Immobilie bis ca. Sept. 2023“ ist ein unverbindlicher Fertigstellungstermin.
Kommt es bei einem Bauvertrag mit unverbindlichem Fertigstellungstermin zu erheblichen Bauverzögerungen, lautet der erste Schritt: Rufen Sie Ihren Anwalt an!
Gerade bei unverbindlichen Terminen kommt es zwischen den Vertragsparteien regelmäßig zu unschönen Meinungsverschiedenheiten und Schuldzuweisungen. Die Suche nach dem Schuldigen ist in diesen Fällen sehr mühselig, da das Bauprojekt von Beginn an mit unklaren Verhältnissen gestartet ist.
3. Bauzeitenplan & Vertragsfristen
Neben dem Bauvertrag wird bei einer Bauverzögerung auch der Bauzeitenplan geprüft. Die folgenden Schritte werden dabei kontrolliert:
- 1. Ist ein Bauzeitenplan vorhanden?
- Sind mehrere Bauzeitenpläne vorhanden?
- Bei mehreren: Kollidieren die Bauzeitenpläne eventuell?
- Sind die Bauzeitenpläne in einer rechtsgültigen Form vorhanden?
- Sind die Bauzeitenpläne von allen beteiligten Parteien unterschrieben?
- Wurden nachträglich neue Fertigstellungstermine vereinbart?
- Sind die neuen Fertigstellungstermine von allen Betroffenen auf dem Bauzeitenplan schriftlich bestätigt?
Ein Bauzeitenplan gehört erst dann zum Vertragswerk, wenn er in rechtsgültiger Form vorliegt und von allen Parteien unterschrieben worden ist. Ansonsten kann der Plan bei Streitigkeiten nur teilweise berücksichtigt werden! Auch nachträgliche Änderungen und neue Fristen werden erst mit Unterschrift aller Parteien zu rechtsverbindlich einzuhaltende Vertragsfristen!
Nachträgliche Änderungen und neu vereinbarte Fertigstellungstermine sind OHNE Unterschrift der Beteiligten rechtlich UNGÜLTIG!
4. Informationspflichten
Während der Bauausführung ist die Versuchung groß, dass nur zwischen einzelnen Gewerken und in direkter Kommunikation der Bauzeitenplan verändert wird. Ausführende Unternehmen haben dagegen jedoch die Pflicht, den Bauherren über den veränderten zeitlichen Rahmen zu informieren. Nur so kann z.B. eine zu frühzeitige Kündigung des bisherigen Mietverhältnisses durch einen Bauherrn vermieden werden.
5. Ansprüche des Bauherren bzw. Immobilienkäufers
Wurden Fertigstellungstermine nicht eingehalten, gerät der Bauunternehmer automatisch in Schuldnerverzug. Das Gesetz geht davon aus, dass der Bauunternehmer allein für die Nichteinhaltung der Frist verantwortlich ist.
Was bedeutet dies für den Bauherren?
Die Beweislast dafür, dass der Unternehmer für die Nichteinhaltung des Termines nicht verantwortlich ist, liegt beim Bauunternehmer. Dieser hat nachzuweisen, warum die Frist nicht eingehalten werden konnte. Kann er sein fehlendes Verschulden nicht beweisen, hat der Bauherr gegen den Unternehmer einen Anspruch auf Ersatz sämtlicher Kosten, die ihm aus der Bauverzögerung entstehen. Darunter fallen z.B.:
- Kosten der Unterbringung in einem Hotel
- Einlagerung von Möbeln
- Energiekosten für eine Notbeheizung
- Verzugspauschale pro Tag (falls vereinbart)
- etc. etc.
Die Liste ließe sich noch lange fortführen, da Ansprüche vielfältigster Natur sein können. Der Rat eines Baurechtsanwalts sollte bei der Formulierung der Ansprüche in jedem Fall eingeholt werden. Nur so können auch gesetzliche Vorgaben ,wie z.B. die Schadensminderungspflicht oder gesetzliche Ausnahmeregelungen, wie z.B. zur Zeit der Coronapandemie, mit berücksichtigt werden.