Beratungspflichten eines Bauleiters

Ein Bauleiter überwacht die Bauausführung vor Ort. Seine Position ist demnach diejenige mit dem größten Überblick zum aktuellen Baugeschehen. Zudem agiert er als Schnittstelle zwischen beteiligten Akteuren.

In dieser Position verbirgt sich – vor allem bei ungeregelten Vertragsverhältnissen – viel Konfliktpotenzial. Fehler im Bauablauf werden gerne einer mangelhaften Beratung des Bauleiters angelastet. Welche Beratungspflichten hat er aus rechtlicher Sicht?

1. Grundlegende Vertragsverhältnisse

Wer hat was, wo und wann unterschrieben? Art und Umfang der Beratungspflichten eines Bauleiters sind abhängig von der Vertragsgestaltung. Sie werden definiert von den Fragen, für wen er tätig ist und in welcher Form.

  1. Ist der Bauleiter für Bauherr, Architekt oder Bauunternehmen tätig?
  2. Ist der Bauleiter freiberuflich oder im Angestelltenverhältnis tätig?

Folgende Rechtsgrundlagen bestimmen den Rahmen seiner Tätigkeit zusätzlich:

  • Anlage 10.1 zu § 34 Abs. 4 und § 35 Abs. 7 HOAI 2021, dort Leistungsphase 8 unter a) bis p) 
  • Bauvertrag
  • Verpflichtungen aus VOB/B (Stand 2019) und BGB

Die Klärung der Vertragsverhältnisse ist für die Klärung seiner Beraterpflichten essenziell, da sich die Verpflichtungen eines Bauleiters mit den Verpflichtungen anderer Gewerke, Sonderfachleute und / oder Fachplanern überschneiden können. Wer ist / war demnach wirklich verantwortlich?

Wird festgestellt, dass es sich bei seiner Beratungsleistung um eine Dienstleistung handelt, ist kein Erfolg geschuldet. Anders verhält es sich, wenn es sich um eine Werksleistung handelt, bei welcher der Bauleiter für einen bestimmten Erfolg einzutreten hat.

Beratungspflichten nach Vertrag eines Bauleiters

2. Bauleiterpflichten nach Beratervertrag

Hat ein Bauleiter im Vertrag mit seinem Auftraggeber konkret beschriebene Beratungspflichten übernommen, so hat er auch weitreichende Beratungspflichten zu erfüllen. Es handelt sich hierbei um einen Beratervertrag.

Vielen Bauleitern ist nicht bewusst, dass dieser stillschweigend oder auch bewusst während der Auftragsabwicklung vereinbart worden sein kann – ganz unabhängig vom Bauleitervertrag. Dieser rechtliche Umstand führt zu erheblichen Haftungskonsequenzen für Bauleiter, wenn die Beratung fachlich fehlerhaft oder unzureichend ist.

 

Folgen bei falscher Bestellung

Konflikte treten gerne bei Falschbestellungen auf, welche mit hohen Kosten verbunden sind. Zwei Urteile des OLG Schleswig und OLG Hamm legten fest, dass eine Beratung dann zur Hauptpflicht wird, wenn der Bauleiter den Besteller über die Wirtschaftlichkeit der geplanten Investitionen beraten und ein Beraterhonorar erhalten hat. Diese Beratungspflicht kann auch ganz informell über schlüssiges Verhalten zustande kommen.

  • OLG Schleswig, Urteil vom 17.8.2017 – 7 U 13/16 = IBRRS 2017,3167
  • Urteil des OLG Hamm vom 19.12.2017 – 21 U 112/16 = IBR online 2018,2668 (eingestellt 11.04.2018).

3. Bauleiterpflichten nach HOAI 2021 & BGB

Weder der Abschnitt zur Bauüberwachung (LPH 8) noch der Abschnitt zur Objektbetreuung (LPH 9) der HOAI formulieren eine Beratungspflicht des Bauleiters.

 

Planungsfehler ist kein Bauleiterfehler

In der HOAI wird nur klar herausgestellt, dass vom Bauleiter keine Planungsleistungen geschuldet werden. Der Bauleiter ist nicht verpflichtet, mangelfreie Planungsleistungen zu liefern. Planungsfehler können ihm deshalb auch NICHT angelastet werden.

Rücksichtnahmepflichten laut BGB

Laut § 241 Abs. 2 BGB ist ein Bauleiter – so wie alle Baubeteiligten – zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seines Vertragspartners verpflichtet. Bei einem Verstoß gegen diese Rücksichtnahmepflichten kann er in Haftung geraten.

Aus diesem Rücksichtnahmegebot folgen ganz automatisch allgemeine Beratungspflichten, die nicht speziell im Vertrag aufgeführt sein müssen. Sie beruhen auf der Sachkunde des Bauleiters, auf die der Auftraggeber auch vertrauen darf.

Bauleiterpflichten

4. Beratungspflichten als Sachwalter

Eine Haftung als Sachwalter tritt laut dem BGH erst ab dem Zeitpunkt der Baurealisierung ein. Architekten und Bauleiter werden erst mit einer regelmäßig stattfindenden Objektüberwachung und Betreuung zum Sachwalter des Gebäudes. (BGH, Urteil vom 23.07.2009 – VII ZR 134/08 = IBR 2009,589)

Untersuchungs- und Beratungspflichten bei Schäden und Mängeln während des Bauablaufs sind für Sachwalter wichtige Nebenpflichten – auch wenn diese nicht vertraglich festgehalten sind. Teile dieser Beratung sind:

  1. unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel 
  2. sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung
  3. Beratung zur sich ergebenden Rechtslage

(BGH Urteil vom 26.10.2006 – Az. ZR 133/04 = IBR 2007,85).

Solange die Rechtsberatung als Nebenleistung zum Tätigkeitsbild erfolgt, werden dabei auch die Grenzen des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) gewahrt. Es handelt sich hier um eine allgemeine Beratungspflicht des Bauleiters bzw. Architekten.

Check vor Auftragsannahme

Vor einer Auftragsübergabe bzw. -annahme einer Bauleitung sollte geklärt sein, welche Beratungspflichten der Bauleiter übernimmt. Dies dient der Vermeidung von Haftungsrisiken. Sind keine Beratungspflichten festgehalten, gelten die Regelungen der HOAI und des BGB umso mehr. Stellen Sie sich deshalb vor Übernahme einer Bauleitung folgende Fragen:

  1. Ist der Rahmen der Beratungspflichten vertraglich geklärt?
  2. Kennen Sie die Pflichten, die sich aus der Treuepflicht zum Dienstherrn stillschweigend ergeben?
  3. Sind Hinweis-, Warn- und Aufklärungspflichten bekannt?
  4. Ist bekannt, ab wann zur Beratung der Architekt hinzugezogen werden muss?

Besonders die letzte Frage, ist von hoher Bedeutung für die Haftung. In der Praxis werden häufiger gut gemeinte, aber fehlerhaften Empfehlungen zur Bauausführung oder der Behebung von Mängeln ausgesprochen. Klären Sie ab, wann Sie den beauftragten Architekten hinzuziehen.