Bauverzögerungen – Schadensersatz und Rechte

Die Gründe für einen Bauverzug sind vielfältig, haben aber eines gemeinsam: Sie kosten viel Geld. Zudem ist der Bauverzug eher die Regel als die Ausnahme. Welche Rechte stehen Bauherren bei einem Bauverzug zu? Wie schützen Sie sich vor den finanziellen Mehrbelastungen?

Häufige Gründe für einen Bauverzug

Bauunternehmer klagen des Öfteren, wie schwierig die aktuelle Situation in der Baubranche ist. Als häufige Gründe für einen erschwerten Baufortschritt werden Witterungseinflüsse, lückenhafte oder mangelhafte Planungsleistungen, ein Mehraufwand wg. Sonderwünschen oder der aktuelle Baustoffmangel genannt.

  • Witterungseinflüsse
  • Lückenhafte oder fehlerhafte Ausführungsplanung
  • Sonderwünsche
  • Baustoffmangel

Bauverzug ist hierbei nicht gleich Bauverzug, so dass der Anspruch des Bauherrn auf Schadensersatz stets von der jeweiligen Sachlage abhängt.

Grund 1: Witterungseinflüsse

Schlechtwetter, Hochwasser und extreme Kälte / Hitze werden von Handwerkern und Unternehmen gerne als Anlass für die Verlängerung vertraglich vereinbarter Fertigstellungsfristen herangezogen. Auch zur Vermeidung von Vertragsstrafen und zur Geltendmachung zusätzlicher Vergütungsansprüche werden Witterungseinflüsse ins Feld geführt.

 

Rechtliche Einschätzung

Wer ist Risikoträger?
Grundsätzlich gilt laut dem OLG Frankfurt a.M. für das Wetter der Grundsatz aus § 644 Abs. 1 BGB. Der Auftragnehmer trägt vor der Abnahme des Bauwerks dessen Sachgefahr– und damit auch das Risiko der Folgen des schlechten Wetters während der Bautätigkeit. Vorhersehbare Behinderungen durch übliche Witterungsverhältnisse, wie Schnee und Eis im Winter, hat der Auftragnehmer von sich aus bereits im Voraus bei der zeitlichen Planung seiner Leistungen mitzuberücksichtigen.

Die Pflicht zum Baufortschritt
Der Bauunternehmer hat auch bei schlechtem Wetter dafür zu sorgen, dass der Baufortschritt angemessen gefördert und das Bauwerk termingerecht fertiggestellt wird, z.B. durch den Einsatz von Heizgeräten während der Kälteperioden. Ein längerer stockender Baufortschritt kann die Kosten für eine Baubeheizung um ein Vielfaches übersteigen.

  • VOB/B Werkvertrag § 5 (1)

Der Grundsatz
Der Auftragnehmer hat dem Bauherrn grundsätzlich schriftlich mitzuteilen, wenn er sich in der vertragsgemäßen Leistungserbringung behindert sieht – und zwar unter präziser Angabe, welche Arbeiten von der Behinderung betroffen sind. Erst dann kann dem Auftragnehmer gegen den Bauherrn ein Anspruch auf eine Verlängerung vereinbarter Termine und ein Anspruch auf Berücksichtigung von Kostenrisiken entstehen.

  • Werkvertragsrechts (§ 6 (1) i.V.m. § 6 (2) Ziffer 2 VOB/B .
  • BGH Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98 = IBR 2000,218; Urteil des OLG Hamm vom 12.10.2004 – 24 U 158/03 = IBRRS 2008,2823.

Ausnahme
Eine Ausnahme tritt jedoch dann ein, wenn es für den Auftraggeber ohne weiteres, d. h. auch ohne die schriftliche Anzeige erkennbar ist, dass die Witterungsverhältnisse einen behindernden Einfluss auf den Baufortschritt, die Einhaltung von Vertragsfristen und von vereinbarten Baukosten haben.

Des Gleichen, wenn die konkret auf der Baustelle vorherrschenden Witterungsverhältnisse sehr deutlich von den Minimum-Maximum-Werten einer üblichen, längeren Zeitperiode abweichen. Die Abweichung ist dabei anhand der meteorologischen Mittelwerte der vergangenen 10-20 Jahre zu ermitteln.

  • (Kimmich-Bach, VOB für Bauleiter, IBR-online Rn 1246 ff.).

 

Mängelbeseitigung

Grund 2: Lückenhafte oder fehlerhafte Ausführungsplanung

Eine weitere Problematik, die des Öfteren eine Bauverzögerung verursacht, ist eine lückenhafte oder fehlerhafte Ausführungsplanung vor Baubeginn. In der Regel handelt es sich hierbei um fehlende oder mangelhaft erstellte Detailplanungen für das bauausführende Unternehmen oder durch das Bauunternehmen selbst.

 

Rechtliche Einschätzung

In diesen Fällen handelt es sich regelmäßig um eine komplexe Rechtssituation, die stets individuell betrachtet und beurteilt werden muss. Es gilt dabei zu prüfen, wer die Pläne zu erstellen und zu liefern hatte, ob die Lücken oder Mängel der Planung für das Unternehmen erkennbar gewesen sind und wer vom Bauherren mit der Bauleitung/Objektüberwachung beauftragt worden ist. Häufig sind dies Architekten selbst, welchen auch die Bauleitung übertragen worden ist. Die Bauleitung kann jedoch auch von einem Generalunternehmen übernommen worden sein.

Es gilt auch zu prüfen, welche konkreten Verpflichtungen die Bauleitung vertraglich tatsächlich übernommen hat. Hatte diese auch die Pflicht, die Vollständigkeit der Baupläne oder deren sachliche Richtigkeit zu überprüfen oder traf diese Verpflichtung das Unternehmen oder auch dem einzelnen, fachlich qualifizierten Handwerker selbst?

So sind bei der bauvertraglichen Vereinbarung der Geltung der VOB/B die für die Ausführung der Werkleistung nötigen Unterlagen dem Auftragnehmer unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben und vom Auftragnehmer selbst auf etwaige Unstimmigkeiten hin zu überprüfen. Auf entdeckte oder auch nur vermutete (!) Mängel der Ausführungsunterlagen ist der Aufragnehmer verpflichtet den Auftraggeber hinzuweisen.

§ 3 (1) und (3) Satz 2 VOB/B

Wenn es bekannt wird, dass eine lückenhafte oder fehlerhafte Ausführungsplanung zu Bauverzögerungen geführt hat, ist die Einschaltung eines Fachanwaltes dringend geboten. Dieser prüft für Sie in Ihrem konkreten Sachverhalt nicht nur die möglichen Folgen, sondern berät Sie zugleich dazu, welche nächsten rechtlichen Schritte notwendig sind, um Sie vor einem Schaden zu bewahren.

Grund 3: Mehraufwand durch Sonderwünsche

Vielen privaten Bauherren ist es nicht bewusst, dass von ihnen erst während der Bauausführung geäußerte Sonderwünsche zu erheblichen Bauverzögerungen führen können. Erforderliche neue Planungen, Zusatzbestellungen und auch neue Lieferzeiten für Baumaterialien oder geänderte oder zusätzlich gewünschte Ausstattungen, verursachen regelmäßig zeitliche Veränderungen im ursprünglich geplanten Bauablauf, führen vereinbarte Fristen und Termine zeitlich nach hinten.

 

Rechtliche Einschätzung

Entgegen der landläufigen Meinung führen Sonderwünsche jedoch nur dann zu Gunsten des Auftragnehmer zu einer Änderung des bislang vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins, wenn auch der nunmehr neue Termin mit dem Bauherrn ausdrücklich vertraglich (schriftlich) vereinbarten worden ist. In der Praxis fehlt eine solche geänderte vertragliche Vereinbarung jedoch sehr häufig, wodurch der ursprünglich vereinbarte Fertigstellungstermin zu Lasten des Auftragnehmer weiter vertraglich erhalten bleibt. Zur Vermeidung einer rechtlichen Streitigkeit über vertraglich einzuhaltende einzelne Fristen oder Termine kann daher sowohl dem Auftragnehmer wie auch dem Bauherrn nur eine frühzeitige Unterstützung durch einen Fachanwalt empfohlen werden.

Diskussion über Mangel auf dem Bau

Grund 4: Baustoff-/Materialmangel

Die marktwirtschaftliche Grundregel von knappen Ressourcen gilt auch im Bau. Ist die Nachfrage höher als die Verfügbarkeit, wird das Produkt teurer. Die gestiegenen Preise für Baustoffe, Materialien und technischer Ausstattungen versuchen Auftragnehmer regelmäßig an den Bauherren weiterzureichen.

Bei einer Bauverzögerung aufgrund eines Baustoffmangel, der Schwierigkeit des Auftragnehmer termingerecht Materialien, technische Geräte und Ausstattungen zu beschaffen, wird der Bauherr regelmäßig mit dem zeitlichen Verzug bei der Baufertigstellung und mit nachträglichen finanziellen Forderungen des Auftragnehmer konfrontiert.

 

Rechtliche Einschätzung

Rein rechtlich gesehen, liegen derlei Beschaffungs- und Liefersituationen allein im Risikobereich des Bau- oder Handwerksunternehmen. Nach Abschluss des Bauvertrags trägt allein dieser das Risiko der rechtzeitigen Verfügbarkeit und das Kalkulations- und Preisrisiko. Dies gilt zeitlich so lange, wie nicht beide Seiten im Vertrag eine Preisanpassungsklausel vereinbart oder sich der Auftragnehmer im Vertrag nicht ausdrücklich einseitige, ohne Zustimmung des Bauherrn, mögliche Preiserhöhungen vorbehalten hat. Zur Beantwortung der Frage, ob eine geforderte Preiserhöhung rechtmäßig ist, kann dem Bauherrn nur dringend die Einholung eines fachanwaltlichen Rates empfohlen werden.

Hinweis:
Ungeachtet der v. g. rechtlichen Situation, sollten Bauherren zunächst bedenken, dass ein Auftragnehmer, der nicht mehr dazu in der Lage ist seine Lieferanten zu bezahlen und daher die ihm vom Bauherrn beauftragten Leistungen zu erbringen oder fertigzustellen, zugleich auch für den Bauherren hohe Zusatzkosten verursacht.

Es ist daher empfehlenswert, Bau- und Handwerksunternehmen nicht mit unvorhersehbaren, ganz erheblichen Preissteigerungen völlig allein zu lassen. Hier ist eine frühzeitige fachanwaltliche Beratung sowohl dem Bauherrn wie auch dem Auftragnehmer anzuraten, um einen Ausgleich zwischen den Interessen beider Vertragspartner zu ermöglichen.

Absicherung & Risikominimierung für Bauherren

Die essenzielle Frage für Bauherren zu diesem Thema lautet:

Wie kann ich das Risiko eines Bauverzugs abfedern?

Der folgende Fragenkatalog unterstützt Sie als Bauherr bei der Risikominimierung. Die Fragen sollten vor Abschluss Ihres Bauvertrags vollständig mit einem „Ja“ beantwortet werden können.

  • Ist die Ausführungsplanung abgeschlossen und liegen die Detailpläne vor?
  • Wurde der Bauvertrag juristisch geprüft?
  • Ist im Vertrag eine Vertragsstrafe in Bezug auf Bauverzögerungen enthalten? (z.B. 3.000 € / Monat)
  • Haben Sie einen Terminplan Ihres Bauunternehmers verlangt, wann welche Bauleistungen erfolgen sollen?
  • Sind konkrete Fertigstellungstermine und Zwischenfristen vereinbart?
  • Sind Zusatzzeiten für eventuelle Sonderwünsche einkalkuliert?

 

Recht auf Schadensersatz bei Bauverzögerungen

Im Allgemeinen können Bauherren Ihr Recht auf Schadensersatz bei einer Bauverzögerung gut durchsetzen – solange sie die ausführenden Unternehmen zeitlich konsequent anmahnen, mit der geschuldeten Leistung in Verzug setzen. Ausnahme ist ein Bauverzug aufgrund von Sonderwünschen des Bauherren oder aufgrund höherer Gewalt (z.B. Extremwetterlagen).

Die Beweislast bei einem Bauverzug liegt auf Seiten des Bau- oder Handwerksunternehmen als Aufragnehmer. Diese haben zu beweisen, aus welchem sachlichen Grund heraus sie eine Frist oder einen vertraglich vereinbarten Termin nicht einhalten konnten.

Als Schadensersatzforderungen kommen dabei z.B. die auf Grund einer nicht termingerechten Fertigstellung eines Hauses/einer Wohnung/eines Gewerbeobjektes für den Bauherrn weiterhin für sein bisheriges Mietobjekt anfallenden Mietkosten, die Kosten für eine vorübergehende Unterbringung in einem Hotel oder z. B. auch die Bereitstellungszinsen für den Baukredit in Betracht.

 

Wann wird ein Rechtsbeistand nötig?

Die Empfehlung lautet: So früh wie möglich! Am besten bereits zur Prüfung des Bauvertrags. Sollte der Baubeginn bereits erfolgt sein und es werden während der Bauausführung Verzögerungen und terminliche Verschiebungen beobachtet, lohnt es sich Bauunternehmer anwaltlich zu mahnen.