Gewährleistungsausschluss
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AUGEN AUF BEIM IMMOBILIENKAUF  

Wer beabsichtigt eine Immobilie zu erwerben, nimmt einen Großteil seines Vermögens in die Hand.

Das Ziel dabei ist, zukünftig unter einem entweder neuwertigen oder sogar komfortablen Dach zu leben, welches unsere Lebensbedürfnisse befriedigt. Alternativ auch die Immobilie wirtschaftlich ertragreich zu vermieten oder anderweitig nutzen zu können. Weder Mängel noch Schäden sollte das für den Kauf in Frage kommende Objekt aufweisen. Dieser Zustand soll auch möglichst lange erhalten bleiben. Um nicht im Nachhinein schwer enttäuscht zu werden oder in ein finanziell schwarzes Loch zu fallen, kommt zum einen der Untersuchung und Feststellung des baulichen Zustandes der zum Kauf angebotenen Immobilie eine große Bedeutung zu. Zum anderen auch den rechtlichen Inhalten des notariell beurkundeten Kaufvertrages. Hierbei verkennen insbesondere in Fragen des Erwerbes einer Immobilie wenig erfahrene Kaufinteressenten, welche hohe eigene Verantwortung Ihnen bereits bei der Verhandlung der Inhalte eines Kaufvertrages zukommt.

 

Gewährleistung und Haftung

Dies gilt besonders im Zusammenhang mit Fragen der Gewährleistung und Haftung des Anbieters und Verkäufers der Immobilie. Vor allen Dingen dann, wenn es z.B. um den Erwerb einer bereits gebrauchten Immobilie geht, bei welcher die für Bauunternehmen, Bauträgern und Handwerksunternehmen gesetzlich geltende Gewährleistungsfrist von fünf Jahren bereits abgelaufen ist. Bezogen auf Grundstücke stellt sich hingegen die Gewährleistungsfrage in aller Regel im Zusammenhang mit der Bodenbeschaffenheit und mit Fragen der Bebaubarkeit und künftigen Nutzbarkeit.

 

Schutz durch eine präventive anwaltliche Beratung

Aus anwaltlicher Sicht ist es immer wieder befremdend, wie Kaufinteressenten vielfach nicht nur in tatsächlicher, baulicher, sondern vor allen Dingen auch in rechtlicher Hinsicht ihre Augen vor Risiken verschließen, die sich für Sie ganz persönlich und vor allen Dingen in finanzieller Hinsicht aus dem Abschluss des Kaufvertrages ergeben können. Zudem vor finanziellen Risiken, die gewöhnlich erheblich größer sind, als die Kosten einer präventiven rechtlichen Beratung bei der Verhandlung und vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages. 

Dies mit der Folge, dass vielfach erst zeitlich nach dem Abschluss des Kaufvertrages ein böses rechtliches und zugleich auch wirtschaftliches Erwachen einsetzt. Bei dem Versuch noch das zu retten, was vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages versäumt worden ist, kommt es vielfach zu langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzungen. Zu Verfahren, in denen ganz erheblich höhere Kosten als bei einer vorbeugenden, rechtlichen Beratung, vor Abschluss des Kaufvertrages entstehen und an deren Ende nur ein Urteil und  kein für eine oder beide streitenden Parteien wirklich befriedigendes Ergebnis steht.

AUGEN AUF BEIM IMMOBILIENKAUF

Augen auf – oder worauf es ankommt

Gesetzliche Regeln

Nach den schuldrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hat grundsätzlich ein jeder Verkäufer einer Sache in seinem vertraglichen Verhältnis zum Käufer dafür einzustehen, dass die verkaufte Sache, wozu auch Immobilien und Grundstücke zählen, zum Zeitpunkt des sogenannten Gefahrüberganges keine Sach- und keine Rechtsmängel aufweist (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB). Hierbei handelt es sich um die gesetzliche Gewährleistung und Mängelhaftung des Verkäufers, deren Arten, Voraussetzungen und deren Umfang in den §§ 434 ff. BGB geregelt sind.

 

Offener oder verdeckter Mangel

Ein offener Mangel ist ein Mangel, der für jedermann ohne eine besondere Sachkenntnis oder eine besondere Prüfung erkennbar ist.

Unter einem verdeckten oder umgangssprachlich auch „verstecktem“ Mangel wird dann gesprochen, wenn ein solcher Mangel bereits vorliegt, jedoch noch nicht oder nur nach umfangreichen Untersuchungen, z.B. durch die Öffnung von Bauteilen, eines Hauses oder einer Wohnung oder eines Grundstücks erkennbar ist, wie beispielsweise ein undichtes Dach als verdeckter Mangel bei einer Eigentumswohnung oder der Belastung des Erdreiches eines Grundstückes mit Altöl.

 

Rechtsmangel

Eine bauliche Immobilie oder ein Grundstück ist als Kaufobjekt dann mit einem Rechtsmangel behaftet, wenn das Eigentum oder der unbeschränkte Gebrauch von Dritten aufgrund eines privaten oder öffentlichen Rechts beschränkt werden kann. So z.B. dann, wenn der Verkäufer überhaupt nicht Eigentümer des Grundstücks ist, für eine Wohnung keine Abgeschlossenheitsbescheinigung vorliegt oder zu beschaffen ist oder z.B.  ein Grundstück aufgrund nachbarrechtlicher Beschränkungen, von bauordnungsrechtlich einzuhaltender Grenzabstände, von einzuhaltenden Bestimmungen des Immissions-schutzes etc., für den Kaufinteressenten nicht oder nur eingeschränkt bebaubar oder nutzbar ist.

ACHTUNG – Vertragsfreiheit

Um die gesetzliche Haftung des Verkäufers einer Immobilie oder ein Grundstück für die Zukunft auszuschließen oder zumindest weitestgehend sachlich, gegenständlich oder auch nur zeitlich zu beschränken, steht es nach dem Gesetz dem Verkäufer und Käufer grundsätzlich frei, auch hinsichtlich der Gewährleistung und Haftung individuelle Vereinbarungen auszuhandeln und in dem notariellen Vertrag zu beurkunden. Vereinbarungen, welche für beide Vertragsparteien ab dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung verbindlich sind und die Fragen beantworten, ob überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang und gegebenenfalls bis zu welchem Zeitpunkt dem Käufer gegen den Verkäufer in Bezug auf den baulichen oder rechtlichen Zustand der Immobilie Gewährleistungs- und Haftungsansprüche zu stehen.

 

Vollständiger Gewährleistungsausschluss

Bei dem Verkauf einer Immobilie, sei es eines kompletten Wohn- oder Geschäftshauses, einer Wohnung, von Gewerberäumen oder von Grundstücken oder Teilflächen aus Grundstücken, hat der Verkäufer in aller Regel ein Interesse daran, dass er mit dem Abschluss und spätestens ab dem grundbuchlichen Vollzug des notariellen Kaufvertrages, auch keinerlei eigene Verantwortungen mehr für den Zustand und die zukünftig weitere Nutzbarkeit und Verwendbarkeit der Immobilie hat. Um dieses Ziel zu erreichen, findet sich in notariellen Kaufverträgen über gebrauchte Eigentumswohnungen beispielhaft folgende Vereinbarung:

„Der Käufer hat den Vertragsgegenstand eingehend besichtigt; er kauft ihn im gegenwärtigen, gebrauchten Zustand. Der Verkäufer schuldet weder ein bestimmtes Flächenmaß des Grundstücks- und des Sondereigentums, noch die Verwendbarkeit des Kaufobjekts für Zwecke des Käufers oder dessen Eignung zur Erreichung steuerlicher Ziele des Käufers.

Alle Ansprüche und Rechte des Käufers wegen Sachmängeln am Vertragsgegenstand, insbesondere wegen des Bauzustandes (Sonder- und Gemeinschaftseigentum), werden hiermit ausgeschlossen.

Der Verkäufer versichert, dass ihm versteckte Mängel, insbesondere auch Altlasten und schädliche Bodenveränderungen nicht bekannt sind. Von der vorstehenden Rechtsbeschränkung ausgenommen ist eine Haftung für Vorsatz und Arglist.

Mit den Beteiligten wurde der Ausschluss der Mängelrechte des Käufers eingehend erörtert. Der Notar hat den Käufer darüber belehrt, dass ihm aufgrund dieser Vereinbarung bei etwaigen Mängeln des erworbenen Vertragsobjekts keinerlei Ansprüche gegen den Verkäufer zustehen, er also auftretende Mängel auf eigene Kosten beseitigen muss. …“

Ferner sind in Kaufverträgen auch folgende o. ä. Formulierungen zu finden:

„Sämtliche Rechte des Erwerbers wegen etwaiger Sachmängel werden
ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere für Grundstücksgröße, Bau- und Bodenbeschaffenheit, Zulässigkeit der Bebauung und Zweckeignung. Dem Erwerber ist der Zustand der Gebäude auf dem Vertragsbesitz bekannt. Er erwirbt das Vertragsobjekt, wie es steht und liegt.

Der Veräußerer versichert, dass ihm versteckte Sachmängel nicht bekannt sind. Der Veräußerer versichert ferner, dass er keinem Nachbarn gestattet hat, unter Verringerung des gesetzlichen Grenzabstandes ein Nachbargrundstück zu bebauen. Die Erschließungssituation des Vertragsbesitzes ist dem Erwerber nach Angabe bekannt.“

Große Eigenverantwortung des Käufers

Verlangt der Verkäufer von dem Kaufinteressenten einer Immobilie, dass dieser bei der Beurkundung des Immobilienkaufvertrages einer Beschränkung des Umfangs oder einem nahezu vollständigen Ausschluss seiner vom Gesetzgeber vorgesehenen Gewährleistungs-verpflichtung vertraglich zustimmt, so ist auf Seiten des Käufers, insbesondere bei älteren Immobilien und bei Immobilien, bei denen die in Bauverträgen und Bauträgerverträgen werkvertraglich vorgesehene Gewährleistungszeit von üblicherweise fünf Jahren zeitlich bereits abgelaufen ist, höchste Vorsicht geboten.

 

Wirksamkeit von vertraglichen Gewährleistungs- und Haftungsausschüssen

Eine rechtliche Anfechtbarkeit (§ 123 BGB) oder Unwirksamkeit von im Vertrag vereinbarten Ausschlüssen der Gewährleistung und Haftung des Verkäufers ist in aller Regel nur dann gegeben, wenn der Verkäufer den Käufer dadurch zur Unterzeichnung des Kaufvertrages veranlasst hat, dass er dem Käufer in arglistiger Art und Weise über das Vorhandensein von Mängeln oder Schäden der Immobilie oder z.B. auch deren zukünftiger, auch rechtlicher Nutzbarkeit getäuscht hat. Die Täuschungshandlung muss dabei alleine ursächlich (kausal) für die Unterzeichnung des Kaufvertrages durch den Käufer gewesen sein und kann durch ein aktives Handeln, durch die Abgabe von mündlichen oder schriftlichen Erklärungen oder Zusicherungen, wie auch auf Seiten des Verkäufers in einem Unterlassen bestehen.

Eine arglistige Täuschung liegt damit regelmäßig dann vor, wenn eine Täuschung über Tatsachen vorsätzlich erfolgt, der Täuschende also weiß und beabsichtigt, dass sein Verhalten zu einem Irrtum des Getäuschten führt. Der Begriff Arglist wiederum bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch eine ganz bewusste Böswilligkeit. Die Arglistigkeit, das schuldhafte Handeln als solches, ist im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen neben und zusätzlich zur Täuschungshandlung von demjenigen zu beweisen, der sich auf ein solches Handeln seines Vertragspartners beruft.

Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Käufer gemäß § 444 BGB dann nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Bei einer Garantie handelt es sich dabei um eine völlig verschuldensunabhängige, das heißt auch ohne irgendein dem Verkäufer vorwerfbares Verschulden, eine Böswilligkeit abgegebene Zusicherung des Verkäufers über eine bestimmte Eigenschaft oder Beschaffenheit einer Sache.

Eingeschränkte Hinweis- und Aufklärungspflichten des Verkäufers

Grundsätzlich ist der Verkäufer eines Grundstückes oder einer Immobilie gegenüber dem Kaufinteressenten nicht dazu verpflichtet, diesen von sich aus (aktiv), ohne dass er vom Kaufinteressenten ausdrücklich danach gefragt wird, auf aktuell vorhandene oder in der Vergangenheit bereits beseitigte Mängel oder Schäden oder auch auf tatsächlich oder rechtlich bestehende Nutzungsbeschränkungen der von ihm angebotenen Kaufsache zu unterrichten. Macht der Verkäufer jedoch derlei Angaben, so müssen diese sachlich und inhaltlich der Wahrheit entsprechen.

Ein arglistiges Verschweigen eines verdeckten bzw. versteckten Mangels durch den Verkäufer einer Immobilie kommt daher auch nur dann infrage, wenn der Verkäufer selber, anders als der Kaufinteressent, vor und bei Abschluss des Kaufvertrages eine positive Kenntnis von dem Vorhandensein des Mangels gehabt hat oder Umstände vorgelegen haben und dem Verkäufer bekannt sein konnten, welche auf das Vorhandensein eines Mangels hindeuten (z.B. feuchte Stellen an den Innenseiten der Außenwände im Keller, Wasserablaufspuren an den Innenseiten der Wände unterhalb von Kellerfenstern, starke , witterungsunabhängige Geruchsbelästigungen in Räumen, Schimmelbildungen im Bereich von Fenstern oder in Ecken von Wänden innerhalb einer Wohnung, Beschlagen von Mehrfachverglasungen, zwischen den Glasscheiben, bei Witterungswechseln etc.).

Nach der Rechtsprechung des BGH handelt ein Verkäufer gegenüber dem Käufer einer Sache nur dann arglistig und verletzt seine Aufklärungspflichten, wenn er den Fehler mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass sein Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

Die in einem Grundstückskaufvertrag enthaltene Erklärung des Verkäufers, ihm seien keine unsichtbaren Mängel bekannt, rechtfertigt auch nach der neuesten Rechtsprechung des BGH keine Abweichung vom Grundsatz, dass den Käufer die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung über offenbarungspflichtige Umstände trifft (BGH, Urteil vom 06.03.2020 – V ZR 2/19).

Vertragsfreiheit

Keine Haftung des Maklers

Da ein Makler für seinen Auftraggeber, dem Verkäufer, grundsätzlich in Bezug auf den Abschluss und bei der Formulierung der konkreten Inhalte von Rechten und Pflichten in einem notariellen Kaufvertrag nur als Vermittler und nicht als ein Erfüllungsgehilfe des Verkäufers auftritt (§ 278 BGB), trifft den Makler gewöhnlich auch keine Haftung für die Richtigkeit von Angaben zu dem Zustand oder zu den rechtlichen Verhältnissen der von ihm vermittelten Immobilie. Ein Haftungsbegriff auf den Makler ist daher nur in seltenen, im Einzelnen zu prüfenden Ausnahmefällen möglich.

 

Risiko bei der Beweislast

Zeigen sich nach der Beurkundung des Kaufvertrages an der Immobilie Mängel also Mängel, so trifft zunächst die Beweislast dafür, dass diese Mängel bereits zeitlich vor oder bei Abschluss des Vertrages vorhanden gewesen sind, alleine den Käufer.

Hat der Käufer, wie in den vorstehenden Textbeispielen, im notariellen Vertrag zugleich erklärt, dass er die Immobilie (den Vertragsgegenstand) nicht nur eingehend besichtigt hat, sondern diese auch im gegenwärtigen, gebrauchten Zustand kauft, so hat der Käufer damit nicht nur erklärt, dass er persönlich die Immobilie vor der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrags auf das Vorhandensein von Mängeln hin untersucht hat. Vielmehr hat er sich zugleich auch damit einverstanden ist und hat es akzeptiert, dass die Immobilie Mängel oder gar Schäden aufweisen kann, die auf eine bereits mehrjährige Nutzung der Immobilie zurückzuführen sind.

So − nur beispielhaft − gewöhnliche, altersbedingte Abnutzungserscheinungen an Ver- und Entsorgungsleitungen (z.B. Kalkablagerungen), an Druckausgleichgefäßen oder Brennern der Heizungsanlage, an sanitären Einrichtungen, an Fenster- und Türbeschlägen, an Fensterdichtungen oder auch an Isolierungen im Dachbereich. Auch Belastungen mit asbesthaltigen Materialien, die bei einer Modernisierung oder auch nur Sanierung der Immobilie als Sonderabfall kostspielig zu entsorgen sind, kommen als für ältere Immobilie typische Belastungen infrage.

Grundstücken und Gewerbeimmobilien, insbesondere wenn diese gewerblich genutzt wurden, können erhebliche Altlasten anhaften. So − nur beispielhaft − Verunreinigung des Erdreiches durch Öl, bei alten Tankstellengrundstücken oder Kfz-Werkstätten oder zum Beispiel Verunreinigungen des Erdreiches mit zahllosen Glasscherben nach dem Abbruch von Gewächshäusern oder starke Verunreinigungen der Fußböden und Wände einer bislang als Gaststätte genutzten Immobilie, durch übergelaufenes und von dem Eigentümer oder Pächter der Gaststätte nicht ordnungsgemäß entsorgtem Frittierfett etc..

 

Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben im notariellen Kaufvertrag

In einem Urteil vom 10.06.2016 (Az.: V ZR 295/14) hat sich der V. Zivilsenat des BGH mit der gesetzlichen Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Vertragsurkunde und deren Reichweite befasst. Das Gericht hat dabei erneut darauf hingewiesen, dass die notarielle Kaufvertragsurkunde eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO darstellt. Ferner, dass solche Urkunden einen vollen Beweis darüber erbringen, dass die Erklärung(en) mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet, tatsächlich auch von den Vertragsparteien abgegeben wurde(n). Darüber hinaus bestehe für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Es werde also vermutet, dass das, was im beurkundeten Text steht, auch tatsächlich den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung entspricht und das auch nur all das zwischen den Parteien vereinbart worden ist, was in dem Urkundentext steht.

Die Vertragspartei, die sich erst zeitlich nach dem Abschluss des Kaufvertrages auf außerhalb der notariellen Urkunde liegende Umstände und vor oder bei Abschluss des Vertrages abgegebene Erklärungen berufe, treffe daher die volle Beweislast für die außerhalb der Urkunde liegenden, von ihr behaupteten Umstände oder Erklärungen. Diese können beispielhaft mündliche Aussagen oder gar ausdrückliche Zusicherungen des Verkäufers zu dem baulichen Zustand, der flächenmäßigen Größe einer Immobilie, deren Nutzbarkeit oder auch über die Bodenbeschaffenheit oder frühere Nutzung eines Gebäudes, von Gewerberäumen oder auch eines Grundstückes sein.

Leitfaden

Risikoausschluss – Ein Leitfaden

Zur Vermeidung ungewollter rechtlicher und finanzieller Überraschungen, zeitlich nach dem Abschluss des notariellen Kaufvertrages, sollten aus anwaltlicher Sicht auf Seiten der Kaufinteressenten aktiv und damit eigenverantwortlich − ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit − insbesondere folgende Hinweise und Schritte beachtet werden. Dies insbesondere im Hinblick auf die geschilderte Eigenverantwortlichkeit des Kaufinteressenten vor und bei Abschluss des Kaufvertrages, bei einer gleichzeitig nur sehr eingeschränkten Auskunftspflicht des Verkäufers über die sachliche und rechtliche Beschaffenheit der angebotenen Immobilie.

  1. Grundstückskauf
  • Aktive Ermittlung der Historie der bisherigen Nutzung der Grundstücksfläche, z.B. durch Nachfragen bei Nachbarn oder auch bei der Gemeinde,
  • Untersuchung des Baugrundes auf Altlasten, bei unklarer früherer Nutzung, insbesondere bei einer Nutzung zu gewerblichen Zwecken,
  • Aktive Einholung von Auskünften über die Bodenbeschaffenheit und Grundwasserverhältnisse, z.B. durch Nachfragen bei Grundstücksnachbarn, der Gemeinde, dem örtlich zuständigen Wasseraufsichtsamt, gegebenenfalls Beauftragung einer geologischen Untersuchung,
  • Frühzeitige schriftliche Vereinbarung mit dem bisherigen Grundstücks-
    Eigentümer/Verkäufer darüber, welcher Vertragspartner ganz oder anteilig die
    Kosten von Untersuchungen trägt,
  • Klärung der bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Bebaubarkeit und zukünftigen Nutzbarkeit des Grundstücks, durch Einholung von Auskünften bei der Gemeinde, gegebenenfalls über ein Architekturbüro,
  • Hinterfragen der Richtigkeit von Beschreibungen und Aussagen in dem Exposé des Verkäufers oder Maklers,
  • Verhandlung und Beurkundung eines Rechtes zum Rücktritt vom notariellen Vertrag, für den Fall, dass sich erst nach Abschluss des Vertrages in Bezug auf den Zustand des Kaufgrundstückes oder deren Nutzbarkeit Umstände ergeben oder erkennbar werden sollten, welche die vom Käufer beabsichtigte Verwertung oder zukünftige Nutzung des Grundstücks beeinträchtigen oder unmöglich machen (z. B. Umfang einer Bebauung oder Art der gewerblichen Nutzung). Die Umstände sind als Rücktrittsgründe im notariellen Vertrag konkret zu beschreiben.
  • Aktive und sofortige Nutzung der vom Gesetzgeber bei Kaufverträgen mit Verbrauchern vorgeschriebenen Überlegungsfrist von zwei Wochen, ab Zugang des Entwurfes der notariellen Kaufvertragsurkunde, durch Einholung anwaltlichen Rates, zu rechtlichen Prüfung der Vertragsurkunde durch einen Anwalt.
  • Anfertigung eigener Protokolle über Aussagen des Verkäufers zu dem aktuellen Zustand und der bisherigen Nutzung der Grundstücksfläche. Anfertigung von Notizen darüber, welche Person/en namentlich und mit genauer Adresse notfalls als Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren bestätigen welche konkreten Aussagen oder gar Zusicherungen bestätigen könnte.
  • Aufbewahrung des Exposés des Verkäufers oder Maklers und von baulichen Beschreibungen und sonstiger und Dokumente nach Abschluss des Vertrages.

2. Kauf einer gebrauchten Immobilie

  • Aktive Ermittlung der Historie der bisherigen Nutzung des Gebäudes, z.B. durch Nachfragen bei Hausbewohnern, Nachbarn oder auch bei der Gemeinde,
  • Aktives Hinterfragen zu möglichen Mängeln oder Schäden der Immobilie, insbesondere zu zurückliegenden Wasserschadensereignissen in Kellerräumen (Außenwände, Fußböden, Fenster), zu Feuchtigkeitserscheinungen oder Schimmelbildungen in Wohnräumen, an Innen- und Außenwänden sowie im Dachbereich (Gauben, Isolierungen, Schornstein etc.), zu Mängeln im Zusammenhang mit dem Schallschutz zwischen verschiedenen Wohnungen oder Etagen,
  • Aktives Hinterfragen, welche einzelnen Maßnahmen und Schritte zur Beseitigung von Mängeln und Schäden durchgeführt worden sind, Aufforderung zur Vorlage von Kostenbelegen oder auch Sachverständigengutachten,
  • bei Eigentumswohnungen, Vorlage sämtlicher, inhaltlich vollständiger Protokolle und Beschlüsse aus zurückliegenden Eigentümerversammlungen, nebst Wirtschaftsplänen, mindestens aus zurückliegenden 5 Jahren und dem aktuellen Jahr, Verlangen nach Vorlage etwaig vorhandener Sachverständigengutachten über Mängel und Schäden,
  • Vereinbarung der Abtretung von Gewährleistungs- und Haftungsansprüchen des Verkäufers gegen Bauunternehmen, Bauträger, Handwerksunternehmen im notariellen Vertrag,
  • Anfertigung eigener Protokolle über Aussagen des Verkäufers zu dem aktuellen Zustand und der bisherigen Nutzung der Immobilie und bei gewerblicher Nutzung, auch der einzelnen Räume, Anfertigung von Notizen darüber, welche Person/en namentlich und mit genauer Adresse notfalls als Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren bestätigen welche konkreten Aussagen oder gar Zusicherungen bestätigen könnte,
  • Aktive und sofortige Nutzung der vom Gesetzgeber bei Kaufverträgen mit Verbrauchern vorgeschriebenen Überlegungsfrist von zwei Wochen, ab Zugang des Entwurfes der notariellen Kaufvertragsurkunde, durch Einholung anwaltlichen Rates, zu rechtlichen Prüfung der Vertragsurkunde durch einen Anwalt.
  • Aufbewahrung des Exposés des Verkäufers oder Maklers und von baulichen Beschreibungen und sonstiger und Dokumente nach Abschluss des Vertrages,
  • Aufbewahrung der gesamten schriftlichen Korrespondenz mit dem Verkäufer, seinem Bevollmächtigten oder dem Makler.

 

3. Kauf von einem Bauträger (Reihen-/Doppelhaus, Eigentumswohnung)

  • Aktive und sofortige Nutzung der vom Gesetzgeber bei Kaufverträgen mit Verbrauchern vorgeschriebenen Überlegungsfrist von zwei Wochen, ab Zugang des Entwurfes der notariellen Kaufvertragsurkunde nebst aller Anlagen, wie Teilungserklärung und Baubeschreibung, durch Einholung anwaltlichen Rates, zu rechtlichen Prüfung der Vertragsurkunde durch einen Anwalt.
  • Vereinbarung der Abtretung von Gewährleistungs- und Haftungsansprüchen des Verkäufers gegen Bauunternehmen, Bauträger, Handwerksunternehmen im notariellen Vertrag,
  • Aufbewahrung des Exposés des Verkäufers oder Maklers und von baulichen Beschreibungen und sonstiger und Dokumente nach Abschluss des Vertrages,
  • Aufbewahrung der gesamten schriftlichen Korrespondenz mit dem Verkäufer, seinem Bevollmächtigten oder dem Makler.

 

Fazit:

Die frühzeitige Inanspruchnahme anwaltlichen Rates vor Abschluss eines Immobilien-kaufvertrages zahlt sich in finanzieller Hinsicht regelmäßig aus. Die rechtliche Beratung und Begleitung der Verhandlungen über den Abschluss eines Bauvertrages bewahrt den Kaufinteressenten vor den Folgen unerwartet auftretender Mängel und Schäden der Immobilie sowie vor dem Verlust von Ansprüchen. Dies u. a. auch als Folge eines arglistigen Verhaltens des Verkäufers.

Zugleich wird zwischen dem Anbieter und dem Kaufinteressenten bereits in den Verhandlungen eine Waffengleichheit bestellt. Diese bewahrt insbesondere den privaten und in Immobiliengeschäften weitgehend unerfahrenen Kaufinteressenten vor einer übereilten Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages.  Vor allen Dingen auch dann, wenn die Unterschrift von einer Unsicherheit des Kaufinteressenten über die sachliche oder rechtliche Bedeutung und Reichweite von den in juristischer Sprache formulierten Texten in einem Notarvertrag begleitet wird und sich der Kaufinteressent eine solche Unsicherheit nur nicht anmerken lassen möchte.

 

Maisach, den 10.01.2021

Andreas Paessler
Rechtsanwalt

FA f. Bau- u. Architektenrecht